Die coop AG war einst ein Schwergewicht im deutschen Einzelhandel – ein Unternehmen mit genossenschaftlichen Wurzeln, das Millionen Menschen mit Lebensmitteln versorgte. Doch so beeindruckend der Aufstieg war, so tief war auch der Fall: In den 1980er Jahren erschütterte ein Bilanzskandal das Unternehmen und markierte das abrupte Ende einer Ära. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick zurück auf die Geschichte der coop AG in Deutschland – von der Gründung über das Wachstum bis zum Skandal.


Die Anfänge: Genossenschaften als Ursprung

Die Wurzeln der coop AG reichen zurück ins 19. Jahrhundert, in eine Zeit, in der Konsumgenossenschaften entstanden, um Arbeiterfamilien Zugang zu fairen Preisen und qualitativ guten Produkten zu ermöglichen. Die Idee war simpel und solidarisch: Menschen schlossen sich zusammen, um gemeinsam einzukaufen und so günstiger an Waren des täglichen Bedarfs zu kommen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand aus zahlreichen kleineren Konsumgenossenschaften im Zuge einer Konsolidierungsbewegung die coop Zentrale AG, die sich bald zur führenden Organisation genossenschaftlicher Einzelhandelsunternehmen in Deutschland entwickelte.

1950 wurde schließlich die coop eGmbH (eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung) gegründet, die 1972 in eine Aktiengesellschaft (coop AG) umgewandelt wurde – auch wenn sie weiterhin genossenschaftlich geprägt blieb. Die coop AG war kein Unternehmen im klassischen Sinn, sondern eine Art Holding, in der verschiedene regionale Konsumgenossenschaften ihre Kräfte bündelten.


Aufstieg zum Handelsriesen

In den 1960er und 1970er Jahren expandierte die coop AG stark:

  • Sie betrieb Supermärkte, SB-Warenhäuser, Bäckereien, Metzgereien, Drogerien und sogar Tankstellen.
  • Mit der Marke „coop“ war sie vor allem im nördlichen und westlichen Deutschland stark vertreten.
  • Die coop AG war in ihrer Blütezeit das viertgrößte Einzelhandelsunternehmen der Bundesrepublik – nach Edeka, Rewe und Aldi.
  • Sie unterhielt zudem Beteiligungen an Produktionsbetrieben, z. B. für Lebensmittel, Getränke und Haushaltswaren.

Der Konzern galt als Paradebeispiel für erfolgreiche genossenschaftliche Wirtschaft, schien innovativ und volksnah – ein Unternehmen „von den Menschen für die Menschen“.


Der Niedergang: Der coop-Skandal der 1980er Jahre

Doch hinter der soliden Fassade bröckelte es. In den frühen 1980er Jahren kam es zum größten Wirtschaftsskandal der Nachkriegszeit im deutschen Einzelhandel: dem coop-Skandal.

Was war passiert?

  • Die coop AG hatte über Jahre hinweg ihre Bilanzen gefälscht, um wirtschaftliche Probleme zu vertuschen.
  • Gewinne wurden künstlich aufgeblasen, Verluste verschleiert.
  • Hauptverantwortlicher war der damalige Vorstandsvorsitzende Bernd Otto, der mit kreativer Buchführung und Bilanztricks das Unternehmen besser darstellen ließ, als es war.
  • Dabei ging es unter anderem um fiktive Umsätze, Verschiebung von Warenbeständen und nicht existente Guthaben.
  • Der Schaden belief sich auf über 1,3 Milliarden DM – ein gigantischer Betrag für die damalige Zeit.

Aufdeckung und Folgen:

  • 1984 flogen die Unregelmäßigkeiten auf, nachdem interne Kontrollen und Hinweise von Wirtschaftsprüfern nicht mehr ignoriert werden konnten.
  • Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Bilanzfälschung, Untreue und Betrug.
  • Mehrere Manager wurden verurteilt, darunter Bernd Otto.
  • Der Skandal führte zu einem massiven Vertrauensverlust gegenüber genossenschaftlichen Unternehmen – nicht nur bei coop.
  • Die coop AG war finanziell und strukturell schwer angeschlagen und konnte sich nicht mehr eigenständig sanieren.

Was blieb von coop?

Nach dem Skandal wurde die coop AG zerschlagen, restrukturiert und zum Teil verkauft:

  • Einige regionale Genossenschaften überlebten unter anderem Namen oder schlossen sich anderen Handelsketten an.
  • Teile der coop-Betriebe wurden von anderen Unternehmen übernommen – beispielsweise von Edeka oder REWE.
  • Der Name „coop“ verschwand zunehmend aus dem Stadtbild, lebte aber regional noch lange weiter – etwa bei der coop Kiel, die heute unter dem Namen sky bekannt war und mittlerweile ebenfalls in Edeka integriert wurde.

Fazit

Die Geschichte der coop AG ist ein Lehrstück über die Höhen und Tiefen genossenschaftlicher Wirtschaftsformen im kapitalistischen Wettbewerb. Sie zeigt, wie ein ursprünglich idealistisches Konzept unter dem Druck von Wachstum und Konkurrenz seine Prinzipien verlieren kann – und wie mangelnde Kontrolle und übertriebener Ehrgeiz selbst große Unternehmen ins Verderben stürzen können.

Heute ist der Name „coop“ in Deutschland weitgehend Geschichte. Doch in der Schweiz oder Skandinavien leben ähnliche Genossenschaftsmodelle erfolgreich weiter – und auch in Deutschland erleben Genossenschaften im Kleinen, z. B. im Wohnbau, Energie- oder Landwirtschaftsbereich, eine Renaissance. Vielleicht ein Zeichen, dass die Idee noch nicht tot ist – aber ihre Umsetzung mit Augenmaß erfolgen muss.


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